Seinem Gewissen immer treu geblieben


Hohenstaufen-Gymnasium Eberbach Pressemitteilung vom 15. Mai 2011

Der ehemalige Fluchthelfer Manfred Görlach berichtet über seine Erfahrungen kurz nach dem Bau der Mauer in Berlin

Eberbach (pm). Zu einem Zeitzeugengespräch hatte die Fachschaft Geschichte des Hohenstaufen-Gymnasiums (HSG) Eberbach Mitte Mai 2011 den emeritierten Anglistik-Professor Manfred Görlach aus Heidelberg eingeladen. In der HSG-Veranstaltungsreihe zur DDR-Geschichte berichtete er über seine Erlebnisse als Fluchthelfer kurz nach dem Bau der Mauer und über die Haftzeit nach seiner Enttarnung.

Vor knapp 200 gebannt zuhörenden Schülern der Jahrgansstufe 12 und 13, sowie zahlreichen Lehrern, stand für Herrn Görlach die Frage  „Wie verhalte ich mich angesichts von offensichtlichem Unrecht, wenn ich konkret um Hilfe gebeten werde?“ im Mittelpunkt. In dieser Situation hätte er als Student in Berlin nach dem Mauerbau 1961 nicht anders handeln  können als Hilfe zu leisten. Die erste Fluchthelferaktion glückte, trotz zahlreicher „Anfängerfehler“ – mit seiner intensiven Hilfe als Kurier konnte eine dreiköpfige Familie in den Westen gelangen. Er wollte und konnte in diesem Moment nicht aufhören, obwohl das Risiko natürlich immer größer wurde, zu sehr war er von der Notwendigkeit überzeugt, dass auch andere Betroffene seiner Hilfe bedürfen und prompt kam ihm die DDR-Staatssicherheit aufgrund eines falsch verschickten Briefes beim nächsten Versuch auf die Spur.

Die Konsequenzen waren zuerst Untersuchungshaft und dann vier Jahre Zuchthaus wegen „Abwerbung“ von DDR-Bürgern. Inhaftiert wurde er zuerst in Potsdam, später in Brandenburg-Görden zusammen mit Kriminellen und Mördern. Die Grundrechte wurden ihm verweigert, er sollte gebrochen und korrumpiert werden. Im Nachhinein erwiesen sich seine Verweigerungen als glückliche Entscheidungen für sein Überleben, gelang es ihm dadurch auch hier, an einem Ort tiefster Unmenschlichkeit, sich Freiräume zu erarbeiten, um sich selber treu zu bleiben, was ihm ermöglichte, die Haft überhaupt durchzustehen. Konsequent widerstand er auch der Versuchung, sich als Informeller Mitarbeiter der Stasi eine frühere Haftentlassung wegen guter Führung zu ermöglichen.

1964 wurde er nach fast 1000 Tagen Haft von der bundesdeutschen Regierung freigekauft. Seine Erlebnisse lassen ihn aber bis heute nicht mehr los. Ihm sei es gelungen nicht traumatisiert worden zu sein. Aber nach mehr als 300 Vorträgen über diese Zeit im In- und Ausland wird sein Credo deutlich: Überall da, wo Unrecht geschieht, darf sich kein Mensch der Hilfestellung verschließen. Auch in Zeiten tiefster Entrechtung sollte der Einzelne versuchen, sich treu zu bleiben, um der Entmenschlichung die Stirn zu bieten. Am Hohenstaufen-Gymnasium kam diese Botschaft bei den Zuhörern an. Der langanhaltende Applaus und die zahlreichen Fragen an den Referenten machten dies überdeutlich.

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Organisator Oberstudienrat Bernhard Schell (l.) und Professor Manfred Görlach. (Foto: Christian Jung)

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