Synagogenplatz – Widmung, 09.11.13


„Yoschev b’seter el-yon b’zel schad-daj yithlonan…“ 75 Jahre war es her, dass in Eberbach ein jüdischer Rabbiner zuletzt einen hebräisch gesungenen Psalm zum Himmel gesandt hatte.

Am Samstagabend war es nun wieder soweit. Anlässlich des Jahrestages der Zerstörung der 1913 erbauten Synagoge in der sogenannten „Reichspogromnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 wurde nun der neu gestaltete Synagogenplatz seiner Bestimmung als Ort des Gedenkens übergeben.

„Wer, wenn nicht wir? Wo, wenn nicht hier? Wann, wenn nicht jetzt?“ Mit diesem jüdischen Sprichwort begrüßte Bürgermeister Peter Reichert die rund 300 Eberbacher Bürger, die sich zur feierlichen Widmung des Platzes und seines viel diskutierten Mahnmals eingefunden hatten. „Wer, wenn nicht wir, soll sich heute hier auf dem Platz nahe der ehemaligen Eberbacher Synagoge treffen, der mit der heutigen Widmung offiziell Synagogenplatz heißen soll?“ fragte Reichert in die Runde. Wo, wenn nicht hier, sollte dieses Gedenken einen Platz finden, an dem man sich an die Terrorherrschaft des Nationalsozialismus und die Shoah erinnere, um gleichzeitig zu appellieren, „dass Antisemitismus, Fremdenhass und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“? Und wann, wenn nicht jetzt, gelte es, sich über Generationen hinweg „mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte auseinanderzusetzen“? Reichert dankte den Initiatoren der Mahnmal-Errichtung, Robert Moray und Hans Wipfler, „für Ihre Idee und für Ihren Einsatz und dass Sie sich nie entmutigen ließen“. Er dankte den Schülerinnen des Kunst-Neigungskurses am Hohenstaufen-Gymnasium, die trotz Abiturvorbereitungen viel Zeit in die Schaffung des Mahnmals gesteckt hätten. Er dankte den projektbegleitenden HSG-Lehrern Sebastian Schäuffele und Markus Reuter sowie den Schülern der Theodor-Frey-Schule, die die Pflasterung übernommen hätten. Darüber hinaus ging Reicherts Dank an alle, die sich mit Rat und Tat für die Neugestaltung des Platzes eingesetzt hatten.

„Nach Deutschland fährt man nicht“, hatte Shaul Friberg in seiner schwedischen Heimat gelernt. Dann kam er doch nach Deutschland. „Und ich bin sehr froh darüber“, bekannte der zur Widmung des Synagogenplatzes aus Heidelberg angereiste Hochschul-Rabbiner. Habe er hier doch eine Gesellschaft vorgefunden, die versuche, die Geschichte nicht zu vergessen und etwas aus ihr zu lernen.

„Ich bin so froh, heute hier zu sein und zu sehen, was Sie hier in Eberbach machen“, so Friberg weiter. Das gebe ihm Hoffnung, „dass wir zusammen eine friedvolle Gesellschaft aufbauen können“.

Psalm 91 hatte der Rabbi für die Feier in Eberbach ausgewählt. Und es war ergreifend für Zuhörer und Mitbeter, den jahrtausendealten Text auf Hebräisch zu hören, der von einer Welt voll dämonischer Gefahren erzählt und vom unerschütterlichen Vertrauen auf Gott, der denen Glück und Lebensfülle verheißt, die ihn anrufen. Der evangelische Dekan Ekkehard Leytz und der katholische Diakon Joachim Szendzielorz sprachen im Anschluss an das Gebet des Rabbis den Psalm auf Deutsch. Dann schickte Rabbiner Friberg ein Gebet für die 6 Millionen Juden, die im Holocaust umgekommen sind, in die Nacht: „El male rachamim…“ – „Gott voller Erbarmen…, schließe ihre Seelen ein in das Band des ewigen Lebens…“

Der Eberbacher Bildhauer Hans Wipfler, der die Entstehung des Mahnmals von der Idee bis zu seiner Enthüllung tatkräftig unterstützt und begleitet hatte, ließ nachfolgend noch einmal den Werdegang des Werkes Revue passieren. Und er informierte über die Symbolik des Mahnmals, dessen Verlauf der Außenmauern den Auf- und Abschwung jüdischen Lebens in Eberbach symbolisieren wolle, verwies auf die Öffnung der Mauern, die den Blick freigebe auf den Gedenkstein, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite an den ursprünglichen Standort der niedergebrannten Synagoge erinnert. Hauptanliegen des Mahnmals sei es gewesen, „dass es die Jugend gemacht hat“, so Wipfler. Sei sie doch der Träger für die Weitergabe der Geschichte in die Zukunft.

Zum Abschluss der Feierstunde luden Jessica Braun und Felina Zahnow vom HSG-Kunst-Neigungskurs zu einer kurzen Reflexion über den Gestaltungsprozess des Mahnmals ein. In Zusammenarbeit mit dem Geschichts-Neigungskurz unter Leitung von Oberstudienrat Bernhard Schell hatten sich die elf jungen Künstlerinnen das historische Hintergrundwissen angeeignet. Die beiden erläuterten die von ihrem Kurs geschaffenen Reliefs, die die Mauern des Mahnmals schmücken: den Weg jüdischen Lebens in Eberbach, angefangen von der Einweihung der Synagoge bis hin zu Vertreibung und Vernichtung, aber auch hin zu einem symbolischen Neuanfang. Man wisse es zu schätzen, dass die künstlerische Verwirklichung durch die Jugend von Seiten der Stadt gefördert worden sei, so die beiden Schülerinnen. Allerdings hätte man sich mehr Präsenz von den Auftraggebern oder Sponsoren gewünscht, um gemeinsam ein Denkmal zu schaffen, das „repräsentativ für die Einstellung der Eberbacher Gesellschaft im Ganzen“ stehe. „Vielleicht tragen wir ja dazu bei, dass eines Tages die jüdische Gemeinde Eberbach wieder als ihr Zuhause betrachten kann, “ gaben Jessica und Felina ihrer Hoffnung Ausdruck.

Barbara Nolten-Casado
Rhein-Neckar Zeitung vom 11. November 2013

Stolperstein-Rundgang, 09.11.13

Zu einem Rundgang durch die Altstadt entlang der im Jahr 2011 verlegten „Stolpersteine“ luden im Anschluss an die Widmungsfeier des Synagogenplatzes die elf Schülerinnen und Schüler des Neigungskurses Geschichte am Hohenstaufen-Gymnasium mit ihrem Lehrer Bernhard Schell ein. Ein Totengedenken solle der Rundgang sein, so Schell, „kein historischer Vortrag, der auf Vollständigkeit zielt“.

Die an den einzelnen Stationen in der Oberen Badstraße, der Kellerei- und der Hauptstraße genannten Familien sollten exemplarisch für „alle toten Eberbacher jüdischen Glaubens“ stehen. Aus dem von Gymnasialprofessor i.R. Helmut Joho verfassten Beitrag zur „Geschichte der jüdischen Gemeinde in Eberbach“ im Geschichtsblatt von 1989 sowie Dokumenten des Stadtarchivs hatten die Schüler die für den Rundgang erforderlichen Informationen zusammengetragen.

An der Ecke Adolf-Knecht-Straße und Hauptstraße war erste Station. Und die rund 200 Menschen, die die Schülergruppe in einem langen Zug durch die Stadt begleiteten, lauschten still den Ausführungen der jungen Leute.

Von der Familie Freudenberger wussten sie dabei zu berichten: von Hermann, der in der Hauptstraße 15 eine Eisenwarenhandlung führte. Von seinem 1884 geborenen Sohn Alfred, der als Synagogenvorsteher SS-Männern in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Schlüssel zur Synagoge übergeben musste und dessen Grab 1940 das letzte sein sollte, das auf dem Eberbacher jüdischen Friedhof angelegt wurde. Man erfuhr von seiner Ehefrau Johanna und von den Kindern Hermann und Ruth Freudenberger, die der Vater in weiser Voraussicht frühzeitig in die USA geschickt hatte. Und von Berta Götz, einer Mitbewohnerin in Haus Nummer 15. Sie musste 1940 die Reise nach Gurs antreten, wurde zwei Jahre später in Auschwitz ermordet.

Weiter ging es durch die Obere Badstraße, wo die Schüler samt Mikrofon und transportablem Lautsprecher vor dem Haus Nummer 18 haltmachten. Hier wurde an den orthodoxen Juden Benjamin Levy, seine Ehefrau Sofie und die gemeinsamen Kinder Jenny, Regina und Alfred erinnert. Benjamin Levy hatte bei der Einweihung der Synagoge am 19. September 1913 den Einwohnern Eberbachs in einer Ansprache gedankt für ihre Unterstützung bei ihrer Erstellung. In der Pogromnacht wurden auch die Schaufenster seiner Textilhandlung zerschlagen. Er starb 1940 in Gurs. Sofie Levy und die Kinder emigrierten rechtzeitig in die USA. Beim Evangelischen Gemeindehaus am Leopoldsplatz war nächster Halt, haben doch hier die aus dem Neckar geborgenen Gesetzestafeln der zerstörten Synagogen einen würdigen Platz gefunden. Hier erinnerte man auch an Simon Leibowitsch, einen russischen Juden, der im 1. Weltkrieg in deutsche Kriegsgefangenschaft gelangt war und nach Kriegsende nach Eberbach kam. Er trat der KP-Ortsgruppe bei, wurde 1933 verhaftet und starb wenig später an den Folgen schwerer Folter.

In der Kellereistraße gedachte man des Schicksals der Familie Apfel, der die Ausreise in die USA gelang. Man dachte an Fanny Fuld, Max Seligmann oder Ferdinand Bär erinnern, die allesamt in Auschwitz ihr Leben lassen mussten. Oder an die Familie David, die hier eine Gemischtwarenhandlung hatte. Zurück in der Hauptstraße endete der Rundgang vor dem Haus Nr. 14, wo Aron und Karoline David eine Schuhhandlung führten. Das Ehepaar starb in Gurs.

Gesichter zu den Namen konnten die Zuhörer anschließend an einer Schauwand in der Michaelskirche sehen, wo die Schüler Reproduktionen alter Fotos ausgestellt hatten.

Barbara Nolten-Casado
10. November 2013

Konzert zum Pogromgedenken, 09.11.13

Den Abschluss der insgesamt dreistündigen Gedenkveranstaltung anlässlich des 75. Jahrestags der „Reichspogromnacht“ sowie der Widmung des Synagogenplatzes machte am Samstagabend ein generationsübergreifendes Konzert in der Michaelskirche mit Werken überwiegend jüdischer Komponisten. Und auch hier hatte die Eberbacher Jugend wieder einen starken Part.

Den Auftakt machten allerdings der in Gammelsbach lebende Komponist, Pianist und Musikpädagoge Ronald Autenrieth und der Eberbacher Maler, Musiker und Arzt Hartmut Tramer. Für das Konzert am Samstag hatte sich Autenrieth als erstes die Vertonung eines „Kol Nidrei“ für Klavier des deutsch-jüdischen Komponisten Louis Lewandowski ausgesucht. Wobei dieses Gebet wohl ursprünglich „auf die Vergebung vergangener Schuld“ angelegt war, wie der evangelische Bezirkskantor Achim Plagge erläuterte, der durch das Programm des Abends führte.

Hartmut Tramer ließ einmal mehr seiner Kreativität freien Lauf und gab auf seiner digitalen Viscount-Orgel eine Collage zum Thema „Stolpersteine“ zum Besten. Der 1. Satz aus Franz Schuberts „Wandererphantasie“ wurde dabei – zwecks Stolperns – mit Einschüben aus der 2. Sinfonie des jüdischen Komponisten Gustav Mahler verfremdet.

Mit der Vertonung des jüdischen Kaddisch-Gebets durch Maurice Ravel setzte Autenrieth anschließend das Konzert am Klavier fort.

Und schon war es an den jungen Eberbachern, das musikalische Gedenken dieses Tages fortzusetzen. Das von Ralph Schweizer geleitete Musikschul-Klarinettenensemble „Die flotten Klappen“ sorgte mit schönster Klezmer-Musik des Franzosen Alexis Ciesla und einer Suite von Coen Wolfgram für Begeisterung beim Publikum. Ein eigenes Arrangement von Fritz Kreislers „Liebesleid“ hatte der Neigungskurs Musik des HSG unter der Leitung von Jutta Gewahl seinem Publikum mitgebracht. Es folgte etwas ganz Modernes: Der Song „Back to black“ der 2011 verstorbenen britisch-jüdischen Sängerin Amy Winehouse.

Den Abschluss des Konzerts gestalteten die evangelische „Eberbacher Kantorei“ und die Katholische Kantorei St. Johannes Nepomuk unter der abwechselnden Leitung der beiden Bezirkskantoren Achim Plagge und Severin Zöhrer. Auf dem Programm standen dabei zwei Stücke des deutsch-amerikanischen Komponisten Samuel Adler, ein von Jaques Offenbach vertontes „Ashamnu“, ein „Kiddusch“ von Kurt Weill und die Psalmvertonung „Richte mich Gott“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Lang anhaltender Applaus belohnte alle Mitwirkenden.

Barbara Nolten-Casado
10. November 2013

Reden zur Eröffnung des Denkmals am Synagogenplatz

Sehr geehrter Rabbi Friberg,
sehr geehrte Abgeordnete,
verehrter Herr Ehrenbürger Schlesinger,
sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte und Altstadträte,
sehr geehrte Damen und Herren Ortsvorsteher, Bezirksbeiratsvorsitzende, Ortschaftsräte und Bezirksbeiräte,
verehrte Ehrenringträger der Stadt Eberbach,
sehr geehrter Herr Dr. Lenz, verehrter Herr Helmut Joho,
verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen und der Schulen,
verehrte Vertreter der Bürgerstiftung, des Rotary- und des Lionsclub,
verehrte Vertreter der Banken, der Firmen des Gewerbes und des Einzelhandels,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Eitel,
sehr geehrte Förderer des jüdischen Gedenkens in Eberbach,
verehrte Schülerinnen und Schüler des Hohenstaufen Gymnasiums mit den projektbegleitenden Lehrern Schäuffele und Reuter,
sehr geehrte Herren Moray und Wipfler,
sehr geehrter Herr Schell mit Schülerinnen und Schülern des HSG, die uns im Anschluss zu den verlegten Stolpersteinen führen,
verehrte Bürgerinnen und Bürger, liebe Gäste

Ein jüdisches Sprichwort sagt:

Wer, wenn nicht wir, wo, wenn nicht hier, wann, wenn nicht jetzt?

Wer wenn nicht wir, soll sich heute am 09. November 2013 hier auf dem Platz, nahe der ehemaligen Eberbacher Synagoge, der mit der heutigen Widmung offiziell Synagogenplatz heißen soll, treffen. Wer wenn nicht wir muss dafür sorgen, dass die Erinnerung an die Terrorherrschaft des Nationalsozialismus und die Schoa wachgehalten wird. Wir haben eine historische Verantwortung, der es gilt gerecht zu werden. Wer, wenn nicht wir muss dafür sorgen, dass dieses Gedenken nicht zum seelenlosen Ritual wird, sondern Menschen zum Nachdenken bringt, immer wieder von neuem und nie müde werdend.

Wo, wenn nicht hier an dieser Stelle, unweit der ehemaligen Synagoge sollte dieses Gedenken einen Platz finden, wo, wenn nicht hier kann ein Mahnmal platziert werden, das Schülerinnen und Schüler, zusammen mit Ihren Lehren und mit Unterstützung Geschichts-und Kultur-Interessierter Bürger erarbeitet und erstellt haben.

Wo, wenn nicht hier ist ein Platz, an dem wir uns erinnern und gleichzeitig appellieren, dass Antisemitismus, Fremdenhass und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Wo, wenn nicht hier sollte uns immer wieder bewusst werden, was geschehen ist und nie mehr geschehen darf.

Wann, wenn nicht jetzt ist es an der Zeit sich zu treffen, um nachzudenken. Wann, wenn nicht jetzt haben wir die Gelegenheit über die Generationen hinweg, Alte mit den Jungen, Zeitzeugen mit den viele Jahre nach diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte Geborenen uns damit auseinanderzusetzen. Wann, wenn nicht jetzt, müssen wir dafür Raum schaffen. Wann, wenn nicht jetzt, 100 Jahre, nachdem die neue Synagoge, in nur wenigen Metern Entfernung eingeweiht wurde. Wann, wenn nicht jetzt, 75 Jahre nach den schrecklichen Geschehnissen des 9. November1938 und dem Brand der Synagoge in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938. Wann, wenn nicht jetzt ?!

Ich darf Sie alle ganz herzlich willkommen heißen zur Widmung des Synagogenplatzes und zur Enthüllung des Mahnmales.

Die ursprüngliche Idee, hier auf dem Platz einen Stein mit Hinweistafeln zur Synagoge und zu den in der Stadt verlegten Stolpersteinen und zusätzlich ein Mahnmal, das von Schülerinnen und Schülern des Hohenstaufen Gymnasiums geplant und erstellt wird, wurde aufgegriffen und diskutiert. Es entstand ein Gemeinschaftsprojekt, das beide Elemente vereint. Sehr geehrte Herren Moray und Wipfler, vielen Dank für Ihr großes Engagement, für Ihre Idee und für Ihren Einsatz, und dass Sie sich nie entmutigen ließen. Herzlichen Dank auch den projektbegleitenden Lehrern Herrn Schäuffele und Herrn Reuter, außerdem natürlich allen Schülerinnen, die trotz Abiturjahr viel Zeit in die Schaffung dieses Werkes gesteckt haben. Herzlichen Dank auch an die Schülerinnen und die Schüler der Theodor-Frey-Schule, die für die Pflasterung gesorgt haben. Ich bin mir sicher, dass trotz der vielen geleisteten Stunden ihre gesammelten Eindrücke Sie ein Leben lang nicht loslassen werden. Wer sich mit diesem Verbrechen beschäftigt, wird nicht losgelassen.

Es ging um Menschen, Menschen wie Sie und ich. Die pervers-perfekte Mord-Maschinerie der Nazis, verbunden mit deren Rassenhass sollte diese Menschen vernichten. Es waren Mütter, Väter, Schwestern, Brüder, Großeltern. Sie lebten hier in Eberbach, waren integrierte Bürgerinnen und Bürger, nahmen am gesellschaftlichen Leben in den Vereinen und Organisationen teil, hatten Berufe und führten Geschäfte.

Diese Menschen hatten eine Identität, Sie hatten Träume und Sehnsüchte, außerdem Wünsche, genau wie jede und jeder von uns.

All dessen wurden sie beraubt, wie furchtbar ist es, das alles zu verlieren. Alle Rechte und ihre Würde wurden ihnen genommen. Entrechtet, gedemütigt, entwürdigt, vertrieben, ermordet. Kaum zu glauben, wozu Menschen fähig waren und sind.

Es ist unsere Pflicht als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und dieses Landes, an ihr Schicksal zu erinnern, auf ihr Martyrium, und wie es dazu kam, aufmerksam zu machen. Es gilt auch, an ihr Leben zu erinnern, nie darf hinter den Zahlen und Statistiken dieser grausamen Zeit der einzelne Mensch vergessen werden. Diese Menschen waren nicht geboren, um zu leiden und so zu sterben.

Das Gedenken darf nicht in den Geschichtsbüchern verstauben, sondern muss begreifbar präsent sein, gerade deshalb ist es wichtig heute den Synagogenplatz und das Mahnmal der Öffentlichkeit zu übergeben. Ich übergebe verbunden mit der Hoffnung, dass viele Bürgerinnen und Bürger und Gäste den Platz wahrnehmen und dadurch diese Menschen, diese Eberbacherinnen und Eberbacher nie vergessen werden.

Alle sind aufgerufen dafür zu sorgen, beginnend in Ihren Familien und Häusern hinaus in unsere Stadt und unser Land, dass Hass, Unfrieden, Menschenverachtung, Unrecht und das Morden keinen Platz haben.

Wir stehen in der Verantwortung und haben es in der Hand,

wer, wenn nicht wir, wo, wenn nicht hier, wann, wenn nicht jetzt?

Vielen Dank, Herr Rabbi Friberg, dass Sie unsere Reihe „Jüdisches Leben in Eberbach“ sowohl mit Ihrem Vortrag im evangelischen Gemeindehaus als auch mit Ihrem fachlichen Rat zu diesem Projekt begleitet haben, danke allen, die bis gestern Abend, sozusagen bis zur letzten Minute am Mahnmal gearbeitet haben, danke den Schülerinnen für die Erklärung des Mahnmales, danke Herr Pfarrer Stößer und Dekan Leytz und Herr Wipfler, für Ihre Beiträge.

Danke auch an Herrn Schell und die Schülerinnen und Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums, die uns jetzt zu einem Rundgang zu den verlegten Stolpersteinen einladen. Sehr gut, dass Sie sich mit diesem Projekt beschäftigen und uns die Möglichkeit geben, unter fachkundiger Führung darüber mehr zu erfahren.

Danke an die Firma Michael Gärtner, die uns den Baucontainer zur Verfügung gestellt hat, danke unseren Bauhofmitarbeitern für Ihren Einsatz. Vielen Dank allen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Ergebnis erzielt werden konnte.

Im Anschluss an den Rundgang ist dann noch eingeladen zum Konzert in der Michaelskirche. Die beiden Kantoreien, sowie Herr Autenrieth und Herr Tramer, auch der Neigungskurs Musik des HSG unter der Leitung von Frau Gewahl und die Flotten Klappen, das Klarinettenensemble der Musikschule Eberbach unter der Leitung von Herrn Schweizer werden zu hören sein.

Herzliche Einladung an Sie alle, jetzt am Rundgang und im Anschluss am Konzert teilzunehmen.

Rede von Bürgermeister Reichert am 09.11. – Widmung des Synagogenplatzes

Guten Abend sehr geehrte Damen und Herren,

Wir heißen Sie zur Eröffnung, im Namen unseres gesamten Kunstkurses, der für die Gestaltung der Reliefs dieses Mahnmals zuständig war, herzlich Willkommen. Wie Sie vermutlich bereits wissen, wurde dieses Projekt von Seiten der Stadt, anlässlich des Holocausts, der Reichspogromnacht und im Speziellen der Geschichte der Eberbacher Juden, zu Anfang diesen Jahres in Auftrag gegeben. Letztendlich wurde durch das Zusammenspiel zahlreicher einzelner Arbeitsprozesse und einer guter Zusammenarbeit im Zeitraum der letzten Monate das Mahnmal verwirklicht und nun endlich fertig gestellt. Im Folgenden möchten wir Ihnen eine kurze Reflexion des Gestaltungsprozesses und Werdegangs dieses Projektes präsentieren.

Als wir erstmals im Mai – von unserem Kunst-Lehrer Herr Reuter – von dem Projekt hörten, hatten wir keinerlei konkrete Vorstellung, wie sich die Konzeption in unseren Händen entfalten würde; ehrlich gesagt rechneten wir weniger damit, dass man uns Schülerinnen des KunstNeigungs-Kurses solch eine bedeutsame Aufgabe zuteilen würde und uns deren angemessene Verwirklichung dementsprechend zutraute. Zum Einen sahen wir darin die einmalige Chance, an der Erstellung eines Denkmals mitzuwirken – eines Denkmals, das wohl einige Jahrzehnte an seinem Platz stehen wird – zum Anderen war uns natürlich bewusst, dass wir durch die zeitaufwändigen Arbeitsprozesse – auch während der Schulzeit – einen Teil des abiturrelevanten Stoffes versäumen würden, was sich zwischenzeitlich tatsächlich als problematisch erwies.

Nichtsdestotrotz haben wir den Weg gemeinsam beschritten und im Rahmen des uns Möglichen gemeistert. Die Grundsteine unserer Arbeit setzten wir in dem Bereich der Findung und Entwicklung verschiedener Reliefmotive, wobei sich an dieser Stelle die Zusammenarbeit mit dem GeschichtsNeigungs-Kurs von Herrn Schell als sehr hilfreich erwies. Durch die zahlreichen Vorträge unserer Mitschüler konnten wir uns ein großes Hintergrundwissen aneignen. Ohne diese hierbei erworbenen Vorkenntnisse über den Holocaust und die Grundlagen der jüdischen Kultur, wäre das ganze Projekt von unserer Seite undenkbar gewesen.

Während der Entwicklung unserer eigens gestalteten Motive, bekamen wir ebenfalls Unterstützung vom Rabbi Friberg, der uns mit weiterem Kontextwissen versorgte und uns Anregungen und Verbesserungsvorschläge gab. Zudem standen uns unsere Kunstlehrer Herr Reuter und Herr Schäuffele und der Bildhauer Herr Wipfler tatkräftig bei der aufwändigen technischen Umsetzung der Reliefs zur Seite und hielten sich auch überwiegend an ihren arbeitsfreien Tagen vor Ort auf, sodass sich uns stets die Möglichkeit bot, auch während unserer Freizeit an den jeweiligen Reliefs zu arbeiten. Notgedrungen durch den hohen Zeitdruck nahmen das viele Schülerrinnen auch regelmäßig in Anspruch.

Auf den Mauern des Denkmals sehen Sie den Weg, den das Judentum zu gehen gezwungen wurde. Angefangen von der noch heilen Welt, der Einweihung der Synagoge durch die Stadt Eberbach, dem Aufblühen des Judentums bis hin zur Vertreibung und Vernichtung der Juden, behandeln unsere Reliefs beispielhaft die Geschichte der Eberbacher Juden. Auf den Tafeln können Sie die künstlerische Umsetzung des Synagogenbrandes, den Fluchtversuchen der Juden, der Deportation, aber auch den symbolischen Neuanfang, den das Mahnmal im Endeffekt ausdrücken soll, betrachten. Für uns war es von großer Bedeutsamkeit nicht nur mit den Reliefs abzuschrecken, sondern auch die Bürger dazu aufzufordern, sich mit der Thematik zu beschäftigen und sich ins Gedächtnis zu rufen, dass der Holocaust vielleicht das vorläufige Ende der jüdischen Gemeinde in Eberbach aber nicht das Ende der jüdischen Kultur bedeutete.

Letztlich möchten wir noch im Namen unserer Gruppe anmerken, dass wir es zu schätzen wissen, dass die künstlerische Verwirklichung durch die Jugend von Seiten der Stadt gefördert wird. Allerdings hätten wir uns gerne mehr Präsenz von den Auftraggebern oder Sponsoren gewünscht, um auf gemeinsamen Wege ein Denkmal zu erschaffen, das der Wiederholung solch grausamer Ereignisse durch seine Überzeugungskraft vorbeugen kann und repräsentativ für die Einstellung der Eberbacher Gesellschaft als Ganzes stehen soll. Im Großen und Ganzen sind wir mit den Ergebnissen zufrieden und hoffen, dass wir die Kritiker positiv von unserer Arbeit überzeugen konnten. Es war immerhin, trotz einiger Komplikationen, eine bereichernde Erfahrung für alle Beteiligten und wir sind der Meinung, dass der ursprünglich positive Grundgedanke erreicht wurde. Vielleicht tragen wir dazu bei, dass eines Tages die jüdische Gemeinde Eberbach wieder als ihr Zuhause betrachten kann.

Vielen Dank !

Rede von den Schülerinnen Sarah-Gabriela Moissl und Shana Cheyenne Swarat, gehalten von Jessica Braun und Felina Zahrnow am 9.11.2013
Widmung des Synagogenplatzes 09.11.2013

Das könnte Sie auch interessieren:

Comments are closed here.