HSG in Coronazeiten


Harte Zeiten, harte Maßnahmen – und wie man das Beste daraus macht!

Von Jessica Hock

Wer in diesen schweren Zeiten das HSG besucht, wird unsanft empfangen. Nicht von den Lehrkräften oder gar Schülern, die sind so gastfreundlich wie eh und je. Nein, es sind die Desinfektionsmittelspender, die stumm und gebieterisch alle Eingänge zum Schulgebäude flankieren und jeden Besucher daran erinnern, dass nichts mehr so ist wie damals, als er selbst noch in diesen heiligen Hallen die Schulbank drückte.

Wie mechanisch geht die Hand zum Spender und danach zur Maske. Sitzt. Das ist wichtig, denn seit Beginn des neuen Schuljahres gilt auf dem gesamten Gelände Maskenpflicht. An den rotgefassten Glastüren verkünden farblich abgestimmte Schilder die Verhaltensregeln: Hände waschen, Niesetikette beachten, Abstand halten. Letzteres stellte in der letzten Zeit kein allzu großes Problem dar, denn seit Anfang März erhalten lediglich die Fünft- und Sechstklässler sowie die Oberstufenschüler ihren Unterricht vor Ort. Alle anderen bleiben bisher im Homeschooling und kommen nur für Klausuren in die Schule.

Entsprechend ruhig ist es im Schulgebäude – geradezu gespenstisch für jemanden, der die Flure noch voll wild herumtollender Schüler in Erinnerung hat oder selbst mal einer von ihnen war. Auf den Treppen und in den Gängen markieren Klebebandstreifen auf dem Fußboden die Laufwege. Direktorin Katzner höchstpersönlich hat sie dort angebracht, zusammen mit ein paar hilfsbereiten Kollegen. Das war im letzten Jahr, als noch mehr oder weniger Normalbetrieb herrschte und die meisten Schüler anwesend waren. Jetzt, wo so wenig los ist, finden die Markierungen weniger Beachtung, mahnen aber noch immer zur Vorsicht.

In den Gängen ist es heller als früher. Das liegt daran, dass die Türen und Fenster der Klassenzimmer während des Unterrichts offenstehen, wie es das neue Lüftungskonzept vorschreibt. Ansonsten hat sich in den Räumen auf den ersten Blick wenig verändert. Das heißt, bis auf die Sitzordnung: Die Tische stehen in weiten Abständen und dürfen nicht verschoben werden. Vor dem Unterricht steht es den Schülern frei, ihren Platz selbst zu desinfizieren. Dazu werden in jedem Raum Desinfektionsmittel und Tücher bereitgehalten. Und dann wären da noch die rot-weißen Markierungen vor der Tafel, deren Nutzen sich dem außenstehenden Betrachter nicht sofort erschließt. Die Auflösung: Sie sollen den Bereich kennzeichnen, in dem der Lehrer sich aufzuhalten hat, um der ersten Reihe nicht zu nahe zu kommen.

„Wie so ein kleiner Käfig vor der Tafel“, scherzt Michael Windorfer, Lehrer für Geschichte und Latein. Er hat in seinen dreizehn Jahren am HSG so einiges erlebt, aber eine Pandemie gehört nicht dazu. Mit dem Infektionsschutz ist er sehr zufrieden, der werde hier ernster genommen als an manch anderen Schulen in der Umgebung. Denn was viele nicht wissen: Die praktische Umsetzung der Maßnahmen bleibt den Schulen selbst überlassen, da ist Eigeninitiative gefragt. Besonders, so Windorfer, wenn die Infos vom Regierungspräsidium mal wieder missverständlich ausfielen oder zu knapp kämen: „Wenn’s am Montag losgehen soll, können wir von Glück sagen, wenn wir am Freitagnachmittag wissen, welche Maßnahmen zu treffen sind!“

Eine dieser Maßnahmen war der Wechsel vom Präsenz- zum Fernunterricht im vergangenen Frühjahr – für Windorfer und seine Kollegen und auch für die Schüler eine „riesen Umstellung“. Man könne sich das heute schon gar nicht mehr vorstellen, erinnert sich der Lateiner: „Im ersten Lockdown habe ich an jede Klasse pro Woche eine E-Mail mit Aufgaben verschickt und ein paar Tage später die Lösungen. Das war absolut suboptimal.“ Der einzige Trost: Das HSG ist seit nunmehr vier Jahren Tabletversuchsschule. Als die Pandemie kam, waren einige Klassenstufen bereits mit der entsprechenden Hardware ausgestattet. Und auch die weitere Versorgung mit der nötigen IT verlief dank entsprechender Fördergelder vergleichsweise reibungslos.

Mit der Einführung von Microsoft Teams kam im Frühsommer 2020 dann auch endlich Leben in den Onlineunterricht. Für alle Klassen und ihre jeweiligen Fächer bietet das Programm virtuelle Räume, in denen Schüler und Lehrer sich austauschen können. So entsteht ein Mindestmaß an Miteinander, es werden Arbeitsaufträge gegeben, Unterrichtsmaterialien geteilt und organisatorische Fragen geklärt. Etwa: Wann findet die nächste Videokonferenz statt? „Das sollte man ein paar Tage vorher festgelegt haben, damit alle sich darauf einstellen können“, betont Windorfer. Seine Hoffnung ist, dass sich die Onlinelehre förderlich auf das selbstständige Arbeiten seiner Schüler auswirkt. „Das hängt aber sehr vom Umfeld und Lerntyp ab. Diejenigen, die Zuhause gut lernen können, haben es natürlich leichter“, gibt er zu.

Um die Schüler nicht mit zu vielen Live-Schalten unter Druck zu setzen, steht es den Lehrkräften frei, ihren Unterricht flexibel zu gestalten. Manchmal gibt es für die Kids nur Aufgaben zur eigenständigen Bearbeitung. Alles in allem, so Windorfer, haben sich die HSGler – egal ob jung oder „alt“ – mit der Onlinelehre gut arrangiert. Vor allem unter den Schülern, glaubt er, herrsche dennoch der Konsens: „Ich will meine Freunde sehen! Wann endet dieses Homeschooling endlich?“ Die berechtigten Klagen der Kinder machen ihrem Geschichtslehrer Sorgen. Im Onlineunterricht bekomme man Dinge mit, die man sonst nicht mitbekäme, „weil man ja quasi mit nach Hause kommt. So ist man fast noch näher an den Schülern und hört oft, dass sie einsam sind, oder überfordert.“

Mit den Schülern leidet auch die Qualität des Unterrichts zwangsläufig unter der Pandemie. „Egal ob online oder in Präsenz“, reflektiert Windorfer, „habe ich das Gefühl, ich komme nicht so an, wie ich es gewohnt war. Ich bin durch zu viele Dinge gehandicapt – durch Gruppenarbeiten oder auch Exkursionen, die nicht stattfinden können.“ Nicht mal ins Römermuseum nach Osterburken dürfe er mit seinen Kids fahren! Trotzdem versucht der passionierte Lehrer, seiner Definition von gutem Unterricht gerecht zu werden: „Guter Unterricht ist es, wenn daraus ein Mehrwert entsteht, wenn die Schüler am Ende der Stunde mehr wissen als vorher. Wichtig ist aber auch, dass alle sich wohlfühlen. Wenn beides zusammentrifft, perfekt!“

In Windorfers Onlineunterricht bleiben die Kameras aus. Die Kinder sollen keine Angst haben müssen, dass ihre Mitschüler Fotos von ihnen machen könnten. Wenn ihr Lehrer seine Kamera aktiviert, ist im Hintergrund zur allgemeinen Erheiterung das Kolosseum zu sehen. Der eingefleischte Historiker übt sich derweil in Multitasking: Während die Konferenz über den Laptop läuft, teilt er der Bildschirm seines Tablets per Screensharing mit der Klasse. So können seine Schüler sehen, was er sieht, inklusive der Notizen und Markierungen, die er hinzufügt – alles in Echtzeit! Der verstaubte Overheadprojektor in der Ecke wirkt ganz blass vor Neid.

Wenn einer der Schüler sich meldet, erscheint neben seinem Namen ein kleines Hand-Emoji. Der Lehrer muss die Teilnahmeliste hoch- und runterscrollen, um alle Meldungen zu sehen. Damit es den Kids nicht zu langweilig wird, nutzt Windorfer gern die Gruppenarbeitsfunktion bei Teams. Er ist überzeugt, „eine Gruppenarbeit ist immer besser als fünfundvierzig Minuten Frontalunterricht!“ Mit nur ein paar Klicks werden die Konferenzteilnehmer aufgeteilt und in separate Räume geschickt. Nicht aber ohne die gut gemeinte Ankündigung: „In einer viertel Stunde schließe ich die Gruppen wieder, also falls ihr was bequatschen wollt, das ich nicht hören soll, wisst ihr, wann ihr damit fertig sein solltet!“

Wenn manchmal die Technik nicht so ganz mitspielt oder das Internet versagt, lässt sich der erfahrene Pädagoge nicht aus der Ruhe bringen. Eher stört es ihn, dass er seine Klasse im Onlineunterricht so schlecht einschätzen kann: „Wenn die Schüler da sind, merkt man sofort: Ist das zu schwer für die Kids? Langweilen sie sich gerade? Sollte ich das Niveau anpassen?“ So ohne Gestik und Mimik ließe sich das schwer feststellen. Dennoch ist die Vorstellung, die Onlinelehre könnte den Präsenzunterricht künftig ergänzen, für Windorfer kein Horror. Er hält sie sogar für realistisch. „Wer nicht in die Schule kommen kann, weil er krank ist, schaut von Zuhause zu“, dieses System habe sich im letzten Jahr bewährt, als im Wechselunterricht immer ein Teil der Klasse im Homeschooling war und per Teams zugeschaltet wurde.

Nach Ostern, wenn es mit dem Wechselunterricht hoffentlich wieder wie geplant losgeht, könnte diese Methode erneut zur Anwendung kommen. Noch ist man sich aber nicht so ganz sicher, wie alles laufen wird – auch, was die Teststrategie betrifft. „Das ist wirklich das berühmte Fahren auf Sicht“, erklärt Windorfer und verweist auf die lückenhaften Infos, die man bisher von oben bekommen hat. So viel steht fest: Zukünftig soll in Baden-Württemberg ein negatives Ergebnis Voraussetzung für den Schulbesuch sein. Damit wird das Testen für Lehrer und Schüler gleichermaßen Pflicht.

Ob die zusätzliche Sicherheit und die teilweise Rückkehr in Präsenz die Coronastimmung heben wird? Ganz bestimmt. „So etwas wie eine „allgemeine Stimmung“ gab es die letzten Monate gar nicht mehr, weil die Allgemeinheit fehlte“, resümiert Windorfer. „Austausch und persönliche Gespräche, das fängt erst mit dem Präsenzunterricht wieder an.“ Es gibt also trotz aller Widrigkeiten etwas, worauf sich die Schulgemeinschaft freuen kann. Hoffentlich dürfen die HSGler sowohl einander als auch ihre Gäste bald wieder ohne Abstandsregeln und Masken begrüßen – ein lockerer Umgang und ein freundliches Lächeln stehen ihnen ohnehin am besten!

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