„Gestolpert“ werden kann jetzt auch digital


Kooperationsprojekt „Digiwalk“ macht die Einzelschicksale der jüdischen Bewohner sichtbar – Einweihung auf dem Synagogenplatz.

Eberbach. „Wegzuschauen war schon immer bequem, besonders von 1933 bis 1945“, sagt Till Weidenhammer, Lehrer des Neigungskurses Geschichte am Hohenstaufen-Gymnasium (HSG). Umso wichtiger sind das „Hinschauen“ und die Zeichen des Erinnerns wie das Mahnmal auf dem Synagogenplatz, die ins Straßenpflaster eingelassenen Stolpersteine mit den Namen der ehemaligen jüdischen Mitbürger und Bürgerinnen — und seit Kurzem der „Digiwalk“.

Dieser ist ein digitaler Stadtrundgang mit 14 Stationen entlang der Stolpersteine in der Eberbacher Altstadt, den die Abiturienten des Neigungskurses Geschichte zusammengestellt haben. Am Sonntag wurde das Projekt mit einem kleinen Fest und vielen Gästen auf dem Synagogenplatz vorgestellt und eingeweiht. Die Idee, auf digitalem Wege Informationen zu den ehemaligen jüdischen Einwohnern aufzubereiten, hatte die Arbeitsgruppe „Jüdisches Leben in Eberbach“ anlässlich von „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

Man dürfe nicht vergessen, so die Schüler in der Eröffnungsrede, dass hinter jedem Schicksal, das der Stolperstein symbolisiert, hinter jedem Namen, Geburtsdatum und Todesort ein Individuum mit einer eigenen Geschichte steht, das dank „Digiwalk“ jetzt auch ein Gesicht bekommt. Das individuelle Schicksal der Juden in Eberbach wird anhand von Fotos, Videos und Text vorgestellt und damit „in moderner Form“ präsentiert, wie Bürgermeister-Stellvertreter Wolfgang Kleeberger bemerkte.

Der „Digiwalk“ ist eine kostenlose App, die zu den Stationen navigiert. Bei Erreichen der jeweiligen Station öffnet sich die neue Informationsseite mit Zugang zu den Bild-, Audio- und Filmdateien. Die Informationen suchten die Schüler mit Hilfe von Stadtarchivar Dr. Marius Golgath aus den Akten des Stadtarchivs in Pleutersbach heraus. Man verbinde damit auch die Hoffnung, so die Schüler, Eberbacher Einwohnern niederschwellig Zugang zu Geschichtswissen zu geben und künftigen Schülergenerationen beim interaktiven Lernen zu helfen.

Dass Schüler des HSG schon fast traditionell am jüdischen Leben mitwirken, darauf verwies der Eberbacher Künstler Hans Wipfler, der das Mahnmal auf dem Synagogenplatz 2013 erbaut hat und sich damals wünschte, dass Schüler mitarbeiten. Schüler des Kunstkurses am HSG haben dann auch die 18 Reliefs an den Seiten des Mahnmals erstellt.

Der Landeskirchliche Beauftragte für das christlich-jüdische Gespräch in Baden, Dr. Klaus Müller, forderte dazu auf, sich auf die Stolpersteine und ihre Botschaft einzulassen: „Bitte stolpert gerne. Lasst Euch aus dem Trott bringen, lasst Euch bewusst aus dem Alltag werfen und die Stolpersteine und deren Geschichten vor Augen führen“, so Müller. Man habe es viel zu lange bequem gehabt. Dieser Appell gegen das Vergessen fand mit einem jüdischen Gedicht von Rahel Mann, vorgetragen von Alexander Bartmann von der Arbeitsgruppe „Jüdisches Leben in Eberbach“ und dem musikalischen Beitrag von Pfarrer Gero Albers einen würdigen Rahmen.

Autorin: Jana Schnetz
Quelle: www.rnz.de

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